

In seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften schreibt Robert Musil, dass in Kakanien ein Genie schnell als Dummkopf bezeichnet, ein Dummkopf jedoch niemals ein Genie genannt werde. Die Geschichte spielt im imaginären philosophisch-politischen Makrokosmos des Staates Kakanien, doch von den ersten Seiten des Buches an wird dem Leser klar, dass mit Kakanien nur Wien zur Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie gemeint sein kann. Der Autor beschreibt es als einen Ort, an dem die Leute vom Relativismus besessen und stets bereit waren, das Exzessive ins Lächerliche zu ziehen.
Obwohl die Monarchie mittlerweile abgeschafft wurde und der Dualismus zwischen den westlichen und östlichen „Reichen“ -zwischen denen Wien als Brücke fungierte – ebenfalls verschwunden ist, scheint der Hang zur Untertreibung bei den Wienern irgendwie genetisch verankert zu sein. Dies dürfte wahrscheinlich auch der Grund sein, warum Wien in unserer kollektiven Fantasie eine nostalgische Stadt bleibt, zu deren romantischen, aber altmodischen Ikonen Kaiserin Sissi, die Strausswalzer, die Donau und die Sachertorte gehören. Tatsächlich ist Wien jedoch eine ganz außergewöhnliche Stadt, die in jeder Ära immer ihrer Zeit voraus war, die neue Ideen willkommen hieß- oder sie zumindest akzeptierte -, egal wie seltsam sie auch erschienen. Hier feierte zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert der visionäre Barockstil seine größten Triumphe, von hier aus verbreitete sich später auch die Jugendstilbewegung. Und gerade als die Wiener sich an die verschnörkelten Fassaden ihrer Häuser und Paläste gewöhnt hatten, verkündete Adolf Loos im Jahr 1908, dass Ornamente ein „Verbrechen“ seien. Dies war der Beginn einer rationalistisch ausgerichteten Strömung, mit der die moderne Architektur ihren Anfang nahm. Trotzdem fanden die Einheimischen, dass Loos‘ bedeutendstes Wiener Bauwerk auf dem Michaelerplatz, nur wenige Schritte vom Kaiserschloss entfernt, den Charme eines Kanalschachts“ habe. Sogar Kaiser Franz Josef, der den Bau in Auftrag gegeben hatte, war empört und soll die Vorhänge seiner Kutsche zugezogen haben, wann immer er an dem Haus vorüberfuhr. Dennoch gilt das Haus ohne Augenbrauen“, das so genannt wird, weil es keine Fenstersimse hat, heute als Meisterwerk. In jüngerer Zeit haben sich die Wiener auch mit dem äußerst ungewöhnlichen Hundertwasser-Haus (1985) angefreundet, bei dem der Maler und Architekt Friedensreich Hundertwasser sein Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur in die Tat umsetzte und der Stadt einen glücklichen Ort“ gab, inspiriert von den Formen der Natur. In den Neunzigerjahren wurde dann ein anderes Gebäude zum Gegenstand der Kritik. Es handelte sich um das Haus der Zentralsparkasse, ein Entwurf von Günther Domenig, das vom Aussehen her zugegebenermaßen etwas an ein eingedelltes Auto nach einem Unfall erinnert. Man muss jedoch auch anerkennen, dass die Wiener in anderen Fällen sehr polemisch reagierten, zum Beispiel als die Stadtverwaltung in den Sechzigerjahren beschloss, die Grenzen Wiens auszudehnen und Myriaden öder Wohnblöcke errichten ließ. Zum Glück respektieren die neuen städteplanerischen Projekte jedoch das Gleichgewicht zwischen bebauten und grünen Flächen, was für eine europäische Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern relativ ungewöhnlich ist. Von den 415 km² Stadtgebiet sind 200 km² Parks, Gärten und Wälder (z. B. der berühmte Wienerwald), ja sogar eine Weinanbaufläche ist dabei. Nach dem Bau der mittlerweile legendären Ringstraße, dem vier Kilometer langen Prachtboulevard rund um das monumentale Stadtzentrum, den Kaiser Franz Josef 1858 einweihte, blieben weitere Pläne, die Innenstadt neu zu gestalten – darunter auch die von Otto Wagner vom Anfang des 20. Jh., dem Wien einige spektakuläre U-Bahnhöfe verdankt weitgehend in den Schubladen der Architekten liegen. Stattdessen sahen andere Projekte, wie z.B. das ,,Stufenprojekt“ von Roland Reiner, das 1994 fertiggestellt wurde die Renovierung bereits existierender Bauwerke von unschätzbarem historischem Wert vor, nämlich den prunkvollen Zeitzeugen des ehemaligen Reiches.
Die zahllosen historischen Bauwerke, die Wien zu einer der schönsten Hauptstädte Europas machen – man denke nur an der Stephansdom, ein gotisches Meisterwerk, oder an die Hofburg, das ehemalige Machtzentrum der österreichischen Monarchie. Diese Stadt in der Stadt“ umfasst 18 Gebäude, eines schöner als das andere, mit insgesamt 2 600 Räumen. Zum Komplex gehören auch die Nationalbibliothek, die Michaelerkirche die Barockkirche der Habsburger) und das Kunsthistorische Museum, das nicht nur eine herausragende Kunstsammlung besitzt, sondern auch ein außergewöhnliches Bauwerk ist. Allein der prachtvolle Eingang zur ägyptisch-orientalischen Sammlung, mit seinen schwarzweißen Marmorsäulen, dem vergoldeten Dekor und den Malereien von Gustav Klimt, ist schon ein Meisterwerk für sich. Im Jahr 2001 wurden neue Ausstellungsräume in den renovierten, ehemaligen Ställen der Hofburg eröffnet, die das Museumsquartier zu einem der zehn bedeutendsten Kulturkomplexen der Welt machten.
Aber die anderen Habsburger Schlösser sind ebenso prächtig wie die Hofburg. Zum Beispiel Schloss Schönbrunn, ein Meisterwerk des Spätbarocks, mit dessen Bau 1692 unter Leopold I. begonnen wurde und das Kaiserin Maria Theresia 1749 fertig stellen ließ. Umgeben von einem 120 Hektar großen Park, wurde Schönbrunn von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt und zählt heute zu den meistbesuchten Bauwerken Wiens. Ebenfalls erwähnenswert ist das Winterpalais von Prinz Eugen von Savoyen, der 1683 die Türken von den Toren Wiens vertrieb. Die Residenz besteht aus drei Gebäuden, dem Oberen Belvedere, dem Unteren Belvedere und der Orangerie, umgeben von Brunnen und Gärten im französischen Stil und gekrönt von kupfernen Kuppeln, die an türkische Zelte erinnern. Die Adelspaläste und die Theater, für die Wien zu Recht berühmt ist, lassen der zeitgenössischen Architektur in der Innenstadt nur wenig Raum zur Entfaltung. Am stärksten bricht wohl das Haas-Haus von Hans Hollein mit der Tradition, ein Geschäftsgebäude, das vor zehn Jahren direkt gegenüber vom Stephansdom errichtet wurde. Hierbei handelt es sich um einen sechsstöckigen Bau aus Stahl und Beton, dessen verspiegelte Fassade mit einer Art Segel verhüllt wird, das inmitten historischer Dächer, Türmchen und Statuen gespannt ist. Lange Zeit ereiferten sich die Wiener über diesen „Schandfleck“, doch mittlerweile haben sie Holleins Werk als Symbol des neuen Wiens anerkannt.
Die Stadt des 21. Jahrhunderts hat sich über das Ostufer der Donau hinaus ausgedehnt. Dort liegt nun Donau City“ mit dem Dorf der Vereinten Nationen und verschiedenen anderen Bauwerken, die jeder Anhänger der zeitgenössischen
Architektur einfach gesehen haben muss. Dazu zählen unter anderem die Kirche Christus Hoffnung der Welt, ein Entwurf von Heinz Tesar, sowie Hochhäuser wie Boris Podreccas Millennium Tower oder die Twin Towers von Massimiliano Fuksas.
Trotz der neuen Wolkenkratzer ziehen es die Besucher von Wien meist vor, die Szenerie in einer etwas traditionelleren Umgebung zu bewundern. Zum Beispiel bei einer Fahrt auf dem Riesenrad im Prater, Wiens bekanntesten Vergnügungspark.
























































































Zuhause wird das Mitbringsel (echte Sachertorte) freudig in Empfang genommen.