

Roms neuestes Meisterwerk wurde am 21. Dezember 2002 eröffnet. Es ist der größte Saal des futuristischen Auditoriums von Renzo Piano. Mit 2 800 Sitzplätzen vervollständigt er den Komplex, der aus zwei kleineren Sälen und einem Amphitheater besteht. In diesem ,,Parco della Musica“ des berühmten Architekten sind die drei Säle so konstruiert, dass sie eine perfekte Akustik liefern. Blei, Mauerstein und Travertin verschmelzen in einer Harmonie aus Form und Material und machen das Auditorium zu einem der elegantesten und funktionalsten Bauwerke seiner Art.
Damit befindet sich Rom am Anfang des dritten Jahrtausend: wieder im Mittelpunkt der Architekturszene. Mehr als jede andere Stadt der Welt bewahrte die italienische Hauptstadt, mit ihren drei Millionen Einwohnern die Spuren seines beispiellosen historischen, kulturellen und architektonischen Erbes. Im ersten Teil seiner 2 750 Jahre alten Vergangenheit war es das Zentrum eines der mächtigsten Reiche der Geschichte, das sich von England bis Nordafrika und in den Nahen Osten erstreckte. Als seine politische, militärische und geographische Vormachtstellung schwand, agierten die Päpste als treibende Kräfte für die einzigartige künstlerische Dynamik, die in der Stadt herrschte.
Rom wurde 753 v.Chr. auf dem Hügel Palatin errichtet, nicht weit entfernt von der Mündung des Tibers, und wandelte sich in wenigen Dekaden zu einem der führenden Zentren des Mittelmeerraums. In den folgenden Jahrhunderten begann das Stadtbild, das später das kaiserliche Rom charakterisieren würde, Gestalt anzunehmen. Einige Monumente aus dem Goldenen Zeitalter des Römischen Reiches stehen heute noch: Das Kolosseum, das Kaiserforum, das Pantheon, der Circus Maximus, die Caracallathermen, die Gräber an der Via Appia (der ehemaligen Hauptstraße des Reiches), Neros Domus Aurea, der Trajansmarkt und das Mausoleum des Augustus. Man kann unmöglich in wenigen Worten die gesamte Hinterlassenschaft einer Vergangenheit benennen, in der Rom Caput Mundi war, das Haupt der Welt. Aber auch wenn viele eindrucksvolle Monumente die Zeiten überdauerten, hat sich in Rom im Lauf der Jahrhunderte vieles verändert. Dies wird am Beispiel der Engelsburg (Castel Sant’Angelo) deutlich. Kaiser Hadrian ließ sie im 2. Jh.n.Chr. als Mausoleum errichten. Im 5. und 6. Jh.n.Chr. wandelte man sie jedoch in eine Festung um, mit der man den Angriffen der Visigoten und Ostgoten standhalten wollte. Später machten einflussreiche Adelsfamilien, wie die Orsini und die Borgia, die Engelsburg zu ihrer Residenz, ehe sie schließlich dem Papststaat einverleibt und in eine Festung zurückverwandelt wurde.
Aber auch andere Orte besitzen eine kaiserliche Vergangenheit. Besonders deutlich sieht man das an der Piazza Navona, einem der schönsten Plätze Roms im Stil des Barock. Ihre umliegenden Häuser stehen auf den Ruinen eines Stadions, das Kaiser Domitian 81 n. Chr. hatte erbauen lassen. Wo früher Pferderennen und Ringkämpfe stattfanden, thronen heute majestätische Palazzi und drei der zahllosen herrlichen Brunnen Roms, nämlich der Neptunbrunnen, der ,,Mohrenbrunnen“ (Fontana del Moro) und der Vierströmebrunnen (Fontana dei Fiumi), ein Werk von Bernini, dessen Travertinstatuen den Nil, den Ganges, den Rio de la Plata und die Donau darstellen.
Allerdings verwandelte sich die Stadt erst im 16. und 17. Jahrhundert, unter der Hand führender Renaissance- und Barockkünstler, in das Rom, das wir heute kennen. Der Wiedergeburt Roms lässt sich sogar ein bestimmtes Datum zuordnen, der 18. April 1506. An diesem Tag legte Papst Julius II. den Grundstein für den neuen Petersdom, der etwas mehr als hundert Jahre später zum Zentrum des christlichen Glaubens avancierte. Bramante wurde mit der Aufsicht der Bauarbeiten beauftragt. Seine Nachfolger waren Raffael, Antonio da Sangallo, Michelangelo und zuletzt Carlo Maderno, der die Fassade fertig stellte. Aber auch Gian Lorenzo Bernini hinterließ seine Spuren am Petersdom: Er schuf den Baldachin über dem Altar, das Tabernakel, die Cathedra Petri (der Schrein für den Stuhl des Hl. Petrus) und vor allem den Kolonnadenplatz, auf dem 1586 ein ägyptischer Obelisk aufgestellt wurde.
Die exquisitesten Monumente und Bauwerke stammen ebenfalls aus dieser Zeit: Plätze, Adelspaläste und Villen, die von riesigen Gärten umgeben sind. Es ist unmöglich eine vollständige Aufzählung aller künstlerischer Aktivitäten dieser ungeheuer kreativen Ära zu liefern, aber unbedingt erwähnenswert ist die Piazza del Campidoglio. Sie war der erste Platz, der als Teil eines Planes (wahrscheinlich von Michelangelo) angelegt wurde. Um ihn größer wirken zu lassen, gab man ihm einen trapezförmigen Grundriss, der das Auge mit einer ungewöhnlichen Perspektive täuscht. Andere bemerkenswerte Plätze sind die Piazza Colonna, die Piazza del Popolo und die Piazza di Spagna (mit der Kirche Trinità dei Monti und der Spanischen Treppe), die Ende des 16. Jahrhunderts auf Wunsch von Papst Sixtus V., einem begeisterten Städteplaner, angelegt wurden. Damals wetteiferten Roms führende Familien in der Arena der Architektur miteinander – und hinterließen der Stadt den Palazzo Venezia – das erste Gebäude seiner Art, ein Werk von Leon Battista Alberti -, den Palazzo Barberini und den Palazzo Farnese, außerdem die Villen Borghese, Doria Pamphili, Corsini, Sciarra und Ada.
Das barocke Rom blieb weitgehend unverändert, bis es 1870 zur Hauptstadt des Königreichs Italien ernannt wurde. In den ersten Dekaden der Monarchie errichtete man auf der Piazza Venezia das Vittoriano. Die Bauarbeiten an diesem Monument
zu Ehren von Victor Emanuel II. und die Einigung Italiens begannen 1885. Am 4. Juni 1911 wurde es schließlich vor einer Menge aus jubelnden Veteranen aus Garibaldis Truppen feierlich eingeweiht. Erst durch Mussolinis modernistisches Utopia – und mit Beiträgen von Architekten wie Marcello Piacentini und Giuseppe Bottai – erfuhr Rom in den Zwanzigerjahren erneute, tiefgreifende Änderungen. In den zwanzig Jahren des Faschismus wurden ganze Stadtteile abgerissen, um Platz für ein paar der bedeutendsten Bauwerke Roms des 20. Jahrhunderts zu machen. Es entstanden Viertel wie das Garbatella, aber auch Dienstbezirke wie die Città Universitaria, das Foro Italico und Cinecittà.
Insbesondere mit dem EUR-Viertel, wo die geplante Esposizione Universale Romana stattfinden sollte, wollte das Regime
seinen Wunsch ausdrücken, die imperialistischen Ideen des Landes und den zwanzigsten Jahrestag seiner Machtergreifung
zu feiern. Bei diesem Projekt, das anlässlich der Weltausstellung in Rom von 1942 eingeweiht werden sollte, handelte es sich
um ein Gebiet mit eindrucksvollen Gebäuden, einer städtischen Infrastruktur, öffentlichen Dienstleistungen und Grünflächen,
das durch die Hauptstraße Via Cristoforo Colombo mit der Innenstadt verbunden sein sollte. Auch wenn das Vorhaben nicht vollständig durchgeführt wurde, zählt das EUR-Viertel noch heute zu einem der interessantesten modernen Gebiete Roms. Nach dem Zweiten Weltkrieg bedrohten Wohnungsbauprojekte in großem Ausmaß die architektonische Integrität der Stadt. Anonyme Vorstädte schossen aus dem Boden, um dem rasanten Bevölkerungswachstum Genüge zu leisten. Zum Glück blieb die historische Innenstadt davon verschont. Heute ist sich Rom endlich auch der Notwendigkeit einer Renovierung seiner Vorstädte bewusst, was mit Unterstützung der Stadtverwaltung und – wieder einmal – der Kirche geschieht. Für das Jubiläumsjahr 2000 wurde nach einem Entwurf von Richard Meier die weiße Betonkirche Tor Tre Teste erbaut, deren Form drei Segeln ähnelt. In einer Zeit, in der viele europäische Großstädte mit den sensationellsten Projekten aufwarten, ist Rom gerade mal dabei, seinen konservativen Panzer zu sprengen und sich der zeitgenössischen Architektur zu öffnen. Es bewegt sich noch äußerst vorsichtig, ist sich aber der Tatsache bewusst, dass neue Technologien und Stilrichtungen wertvolle Instrumentezur Erneuerung seiner unsterblichen Schönheit sein können.